Weil er oft lange Zeit unbemerkt bleibt, gehört Eierstockkrebs – das sogenannte Ovarialkarzinom – zu den gefährlicheren Krebsarten. Während Monaten kann er sich unentdeckt im Bauchraum ausbreiten. Gynäkologe Matthias Scheidegger über Symptome und Behandlung.
Text: Tamara Tiefenauer • Geprüft von: Dr. med. Matthias Scheidegger, Chefarzt Gynäkologie und Geburtshilfe
Im Frühstadium entdeckt die Frauenärztin, der Frauenarzt ein Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) meist zufällig bei der jährlichen gynäkologischen Untersuchung. «Falls nicht, macht die Krebserkrankung erst spät auf sich aufmerksam», sagt Matthias Scheidegger, Chefarzt und Gynäkologe am Spital Emmental. Monatelang wuchert der Tumor in der Körpermitte und bildet in naheliegenden Organen Metastasen, also Ableger. Zum Beispiel in der Milz, im Darm oder in der Blase. Und das alles für lange Zeit unbemerkt.
Verursacht der Tumor dann Symptome, so sind diese oft diffus: Ein Druckgefühl in der Bauchgegend, Unregelmässigkeiten beim Toilettenbesuch oder eine Zunahme des Bauchumfangs. Keine typischen Alarmsignale – deshalb warten viele betroffene Frauen zu lange, bis sie zur Gynäkologin oder zum Gynäkologen gehen. «Dementsprechend spät können wir die Diagnose Eierstockkrebs stellen», so der Gynäkologe.
Nur gerade ein Fünftel aller Ovarialkarzinome ist bösartig. Beim Rest handelt es sich um gutartige Krebserkrankungen, die sich weniger schnell ausbreiten. Dazu gehören zum Beispiel Fibrome oder verschiedene Arten von Zysten. Matthias Scheidegger erklärt: «Fibrome sind Geschwülste des Bindegewebes, bei Zysten handelt es sich um Kapseln, die mit Flüssigkeit oder Gewebe gefüllt sind.» Patientinnen mit gutartigen Tumoren benötigen in der Regel keine umgehende Behandlung, sondern gehen regelmässig in die ärztliche Kontrolle. «Wird der Tumor zu gross, können wir rechtzeitig reagieren und die Behandlung angehen», sagt Matthias Scheidegger.
Risikopatientinnen für ein Ovarialkarzinom sind vor allem Frauen nach den Wechseljahren. Bei jüngeren Frauen ist dieser Krebs eher selten. Ein erhöhtes Risiko haben Frauen, die früh die erste Periode hatten, spät die Menopause erreichen oder keine Kinder haben. Hingegen senkt die Anti-Baby-Pille das Risiko für einen Tumor in den Eierstöcken. Nicht zuletzt gibt es genetische Faktoren: Sind mehrere nahe Verwandte an Eierstock- und/oder Brustkrebs erkrankt, steigt die Wahrscheinlichkeit, selbst einen solchen Tumor zu entwickeln.
Matthias Scheidegger, Chefarzt Gynäkologie und Geburtshilfe |
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Die Lebenserwartung von Patientinnen und Patienten mit Krebs gibt man als Fünf-Jahres-Überlebensrate an. Diese sagt im Fall des Ovarialkarzinoms aus, dass fünf Jahre nach der Diagnose vier von zehn erkrankten Frauen noch leben. Matthias Scheidegger ordnet ein: «Damit gehört Eierstockkrebs zu den gefährlicheren Krebserkrankungen.» Die schlechte Prognose rührt daher, dass dieser Krebs in vielen Fällen erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Haben die Metastasen erst einmal die umstehenden Organe befallen, beträgt die durchschnittliche Lebensdauer noch 14 Monate. Findet man den Tumor aber früh, leben neun von zehn Frauen nach fünf Jahren noch. In bestimmten Fällen ergänzen sogenannte Immuntherapien oder zielgerichtete Therapien die Behandlung von Krebs. Immuntherapien sind Medikamente, die die körpereigene Immunabwehr aktivieren oder verstärken. Zielgerichtete Therapien hingegen greifen systematisch Vorgänge innerhalb der Krebszellen an und verlangsamen so zum Beispiel deren Wachstum. |
Die operative Entfernung der Eierstöcke mit dem Tumor birgt weitere Probleme. Frauen, die noch vor den natürlichen Wechseljahren stehen, können nach der Operation nicht mehr schwanger werden. Die Hormone Östrogen und Progesteron, die normalerweise von den Eierstöcke produziert werden, fehlen. Deshalb setzt wenige Tage nach dem Eingriff die Menopause ein. «Vor allem unsere jüngeren Patientinnen fragen mich häufig nach Wegen, trotz OP noch Kinder zu kriegen», so Gynäkologe Matthias Scheidegger.
Befindet sich die Erkrankung noch im Frühstadium oder hat sie nur einen Eierstock befallen, kann es je nach Fall möglich sein, die Fruchtbarkeit zu erhalten. Ausserdem gibt es Wege, einen Eierstock einfrieren zu lassen, wenn er frei von Krebszellen ist. Allerdings ist das mit Risiken verbunden und muss im Einzelfall mit den Ärzten besprochen werden.
Gynäkologie im Spital Emmental |
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