Psychische Krisen treten nicht nur in jungen Jahren auf, sondern können uns auch im Alter treffen. Professionell begleitet werden diese herausfordernden Lebenssituationen seit fünf Jahren auf der alterspsychiatrischen Station E3 in Burgdorf. Janine Fischer und Stefanie Schnarwiler geben einen Einblick in ihren Alltag und erklären, warum ihre Arbeit so wertschätzend ist.
Text: Text: Teresa Schmidt
geprüft von M. Sc. Janine Fischer, Leitende Psychologin, und Stefanie Schnarwiler, Leiterin der Alterspsychiatrischen Station E3
Krisen gehören zum Leben. Sie treten in jedem Alter, abhängig von Lebensumständen und persönlicher Veranlagung, auf. Aber gerade mit dem Älterwerden treten Themen in den Vordergrund, mit denen in jüngeren Jahren weniger Berührungspunkte bestanden haben. «Ab einem Alter von Ü65 beschäftigen wir uns vor allem mit Verlusten – seien es körperliche Verluste durch den normalen Alterungsprozess, Verluste von wichtigen Personen oder einem persönlichen Rollenverlust durch die Pensionierung», erklärt Janine Fischer, Leitende Psychologin. Sie ergänzt: «Diese Verluste können mit psychischen Belastungen wie Depressionen oder Ängsten einhergehen. In unserem therapeutischen Alltag begegnen wir aber auch anderen Krankheitsbildern wie Schlafstörungen, Suchterkrankungen oder kognitiven Einschränkungen wie Demenzen.»
«Der grosse Unterschied zur sonstigen stationären Versorgung ist, dass wir auf der Alterspsychiatrie vertieft auf die spezifischen An- und Herausforderungen, die mit dieser Altersgruppe verbunden sind, eingehen können», erklärt Stefanie Schnarwiler, Leiterin alterspsychiatrische Station E3 Burgdorf, weiter. «Typischerweise beschäftigen wir uns mit Themen wie der Anpassung an neue Lebensumstände, den Umgang mit körperlichen Erkrankungen oder Verlusten sowie kognitiven Einschränkungen. Dabei ist uns wichtig, auch die Angehörigen und ambulanten Behandelnden in die therapeutischen Prozesse miteinzubeziehen, sofern dies von den Patientinnen und Patienten gewünscht ist. Bei Bedarf können wir zudem die Kolleginnen und Kollegen der Medizin, der Chirurgie oder der Neurologie beratend in die Behandlung miteinbeziehen.»
Das zunehmende Volumen an Patientinnen und Patienten hat in den letzten fünf Jahre gezeigt, dass das Vorhandensein einer alterspsychiatrischen Abteilung immens wichtig ist und der Bedarf nach diesem Angebot vorhanden ist. Als Kriseninterventionsstation ist es der alterspsychiatrischen Station möglich, Patientinnen und Patienten in der Regel innert weniger Tage aufzunehmen und einen möglichst raschen Behandlungsbeginn zu gewährleisten. «Eine stationäre Behandlung ist immer dann nötig, wenn die Betreuung im ambulanten Rahmen nicht mehr ausreicht. Konkret heisst dies, dass sich die Patientinnen und Patienten aufgrund ihrer Erkrankung zu Hause nicht mehr wohl oder sicher fühlen oder dass das Betreuungssystem überfordert oder überlastet ist. Unser Angebot ermöglicht den Betroffenen ein sicheres und strukturgebendes Umfeld, das neben den medikamentösen und therapeutischen Behandlungen auch aktivierungstherapeutische Gruppenprogramme beinhaltet», fasst Stefanie Schnarwiler zusammen.
Die alterspsychiatrische Krisenintervention ist eine offen geführte Station, deren Türen nicht verschlossen sind. Das sorgt nicht nur für optischen Freiraum, sondern entkräftet zudem das Stigma der «geschlossenen Psychiatrie». «Die Offenheit der Abteilung und das damit verbundene Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung, aber auch menschlicher Würde, sind uns sehr wichtig. Unsere Patientinnen und Patienten stehen mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt und wir fördern und unterstützen jede Form von Selbstständigkeit, die den Betroffenen hilft, wieder Fuss im Alltag zu fassen und mit ihren individuellen Krisen umgehen zu können. Dabei ist es uns auch wichtig, dass unsere Patientinnen und Patienten den Zugang zu ihrem Alltag nicht verlieren und vorhandene Ressourcen gefördert werden können, indem wir beispielsweise eine Kochgruppe anbieten», sagt Janine Fischer.
Die Arbeit der Station besteht vereinfacht zusammengefasst darin, den Patientinnen und Patienten aus ihrer Krise herauszuhelfen, sie zu begleiten und wieder auf einen positiven Alltag und Lebensweg einzustimmen. Dazu gehört je nach Krankheitsbild und Tagesform auch die Möglichkeit, Tages- oder Übernachtungsurlaube im vertrauten Umfeld zu machen. «So finden Patientinnen und Patienten heraus, wie es ihnen in ihrem gewohnten Lebensumfeld geht, wie es sich anfühlt dort zu sein und welche Situationen Krisen auslösen. Die jeweiligen Rückmeldungen helfen uns, die nächsten Therapieschritte zu planen», ergänzt Janine Fischer.
Der Altersunterschied zwischen Stefanie Schnarwiler, Janine Fischer und ihren Patientinnen und Patienten ist mitunter sehr gross. Beide sagen aber, dass genau das die Essenz ihrer Arbeit ist.
«Ich wusste bereits während der Ausbildung, dass ich mit älteren Menschen arbeiten möchte. Die Gespräche mit unseren Patientinnen und Patienten geben mir persönlich so viel und ich finde es immer wieder extrem beeindruckend, wie viel in einem Leben passieren kann und mit welchen Erlebnissen, Ressourcen und Erfahrungen unsere Patientinnen und Patienten zu uns kommen. Ich könnte mir keinen besseren Beruf vorstellen», so Stefanie Schnarwiler über ihre Arbeit. Janine Fischer sieht das ähnlich: «Ich empfinde es als grosses Privileg, mit älteren Menschen zu arbeiten und sie ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten zu dürfen. Als junge Frau beeindrucken mich die Lebensgeschichten und breiten Erfahrungen unserer Patientinnen und Patienten immer wieder von Neuem.»
«Wir hören sehr oft, dass sich Patientinnen und Patienten viel früher gemeldet hätten, wenn sie gewusst hätten, was genau auf unserer Station gemacht wird und vor allem, wie sehr die Angebote helfen», erzählt Janine Fischer. Stefanie Schnarwiler ergänzt: «Die Hemmschwelle ist das veraltete Bild der Psychiatrie vor vielleicht 50 Jahren, das so gar nicht mehr mit dem übereinstimmt, was eine psychiatrische Station heute ist.» Sind die Berührungsängste und Hemmschwellen bei den Patientinnen und Patienten erst einmal abgebaut, sind die Betroffenen für die angebotene Hilfe und Unterstützung sehr dankbar. Und diese Dankbarkeit ist der Antrieb für Stefanie Schnarwiler, Janine Fischer und das gesamte Team: «Zu wissen, dass wir mit unserer Arbeit Kraft spenden, Betroffenen wieder Mut geben und damit für alle Beteiligten die Basis für einen schönen Alltag schaffen, ist das Beste an unserem Job.»
Alterspsychiatrie Burgdorf Unsers offen geführte bietet für Menschen, die in einer schweren psychischen Krise sind, eine strukturierende Umgebung, um Selbstverantwortung und Selbstheilungskräfte zu stützen und zu fördern. |