Notfall- und Palliativmedizin gehen Hand in Hand
Petra Mair ist Palliativ- und Notfallmedizinerin. Sie berichtet über ihren Alltag im Spital Emmental und erklärt, warum die beiden Fachgebiete gar nicht so weit auseinander liegen, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Text: Teresa Schmidt • Geprüft: Petra Mair, Leitende Ärztin Palliativmedizin

Die Notfallmedizin ist unberechenbar. Es ist jeden Tag wieder unbekannt, wer mit welchem Krankheitsbild angemeldet oder unangemeldet in der Notfallstation ankommt. Für diese Unberechenbarkeit muss man gemacht sein, meint die Leitende Ärztin Petra Mair, die neben der allgemeinen inneren Medizin einen interdisziplinären Schwerpunkttitel Palliativmedizin und Klinische Notfallmedizin (SGNOR) innehat: «Da wir nie wissen, wer oder was uns erwartet und wir innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen treffen müssen, empfinde ich die Notfallmedizin kognitiv als sehr herausfordernd, unglaublich spannend und sehe viele Parallelen und Zusammenhänge zur Palliativmedizin.»
Das Emmental kennt keine Lappalien
Die Palliativmedizinerin und das Team auf der Notfallstation müssen bei eintreffenden Patientinnen und Patienten innerhalb kurzer Zeit entscheiden, welches Krankheitsbild das schlimmste ist und zuerst behandelt werden muss. Dabei braucht es ein sehr breites medizinisches Fachwissen. «Grundsätzlich ist jeder Eintritt auf der Notfallstation ein Notfall – wir unterscheiden aber anhand des Triage-Systems wie schwer der Fall ist. Mein Eindruck ist, dass die Menschen im Emmental enorm hart im Nehmen sind und sehr selten mit Lappalien auf die Notfallstation kommen. Die Krankheitsbilder, die wir dann sehen, reichen von Trauma über innere Medizin bis hin zu neurologischen Fällen und es braucht unser Fachwissen, um die richtigen Entscheidungen für die Behandlung zu treffen», erklärt Petra Mair die Einsätze auf der Notfallstation.

Kommunikation als wichtiges Instrument
Die Fallzahlen auf den Notfallstationen steigen immer weiter an und die Fälle werden komplexer aufgrund der zunehmenden Multimorbidität – was natürlich auch dem Fortschritt in der Medizin geschuldet ist. Neben den Entscheidungen, die getroffen werden müssen, spielt vor allem die Kommunikation im Team eine zentrale Rolle. Nur wenn alle Beteiligten ihr Fachwissen einbringen und dieses auch mitteilen, können eine gute Diagnose gestellt und Leben gerettet werden. Voraussetzung hierfür ist dabei, dass alle im Team empfinden, dass ihr Beitrag gleich wichtig ist. Die gelebten, flachen hierarchischen Strukturen sind elementar, dass ein Team erfolgreich ist.
Zusammenspiel zwischen Notfall und Palliativmedizin
Es kommen auch immer wieder Patientinnen und Patienten auf den Notfall, die auf der Palliativstation weiterbehandelt werden müssen.

«Sowohl auf dem Notfall als auch in der Palliativmedizin geht es darum, rasch das Gesamtbild zu erfassen und zu entscheiden, wo wir akut unterstützen und die Situation verbessern können. Das ist mitunter sehr herausfordernd, vor allem dann, wenn die Betroffenen sich gar nicht bewusst sind, wo sie medizinisch stehen und dass sie palliativ behandelt werden müssen.»
Petra Mair
Leitende Ärztin Palliativmedizin
Auch hier ist Kommunikation das A und O, um die Betroffenen dort abholen zu können, wo sie gerade stehen: «Es ist wichtig, dass wir offen und ehrlich über die Krankheit sprechen. Das geht aber nur, wenn ich die Patientin oder den Patienten auch dort abhole, wo sie oder er persönlich gerade ist. Was bringt es, einem Patienten auf dem Notfall zu sagen, dass die vermeintlichen Bauchschmerzen einem nicht mehr heilbaren Krebsleiden geschuldet sind, wenn der Betroffene diese Information mental gerade noch nicht verarbeiten kann, weil er glaubt, dass der Tumor eben doch heilbar ist? Hier braucht es viel Feingefühl von allem Beteiligten und wiederholte Gespräche.»
Die Unberechenbarkeit akzeptieren können
Sich für die Notfallmedizin zu entscheiden bedingt, dass die Ärztinnen und Ärzte nicht nur mit Schichtarbeiten umgehen, sondern vor allem die Unberechenbarkeit des medizinischen Daseins akzeptieren können. Kein Tag verläuft gleich, es müssen in kurzer Zeit Entscheidungen getroffen werden und die Fälle sind oftmals belastend. Petra Mair fasst zusammen: «Diese Fälle, die einem persönlich nahe gehen, nicht mit nach Hause zu nehmen, liegt nicht jedem. Der Austausch im Team und das Akzeptieren, dass wir – auch wenn wir unser Bestes geben – nicht immer eine Lösung finden, sind wichtig für den Alltag auf dem Notfall.»