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Modern. Menschlich. Mittendrin.

«Als Teamleader im Schockraum versuche ich bewusst, direkten physischen Kontakt zu den Patientinnen und Patienten zu vermeiden. Das klingt vielleicht erstmal seltsam, ist aber in meiner Aufgabe begründet, anhand von Informationen zum Zustand der betroffenen Person, die ich von meinen Teamkolleginnen und -kollegen erhalte, mir ein Bild von der Situation und vom Zustand der betroffenen Person zu verschaffen. Anhand dieser Informationen erhebe ich eine Verdachtsdiagnose, leite entsprechende Therapien ein und koordiniere bzw. organisiere weitere Abklärungen. Das funktioniert am besten, wenn mein Kopf fokussiert und nichtdurch manuelle Tätigkeiten abgelenkt ist»», erklärt die Oberärztin der chirurgischen Notfallstation, die auch ausgebildete Anästhesistin ist und die Zusatztitel ISP Klinische Notfallmedizin und FA Notarzt SGNOR innehat.

Ablauf Schockraum-Situation

Im Schockraum werden jene Patientinnen und Patienten primärversorgt, die vom Rettungsdienst als kritisch verletzt oder krank eingestuft werden. Ebenfalls werden Menschen im Schockraum behandelt, deren Zustand sich auf dem Notfall rapide verschlechtert.
Nach der telefonischen Anmeldung durch den Rettungsdienst wird mittels Knopfdruck ein Schockalarm ausgelöst. Dieser sorgt dafür, dass sich ein interdisziplinäres Team (bestehend aus Notfallpflege, Anästhesie, medizinischer oder chirurgischer Ärzteschaft) vor dem Eintreffen der Patientin oder des Patienten im Schockraum einfindet. «Das Team trifft sich vor der Ankunft des Rettungsdienstes. Wir stellen uns gegenseitig mit Namen und Funktion vor, sodass jeder die verschiedenen Rollen kennt. Zusätzlich tragen wir Aufkleber mit der entsprechenden Funktion. Der Fall wird anhand der Erkenntnisse der Voranmeldung sowie gegebenenfalls alter Patientenakten vorbesprochen und die primären Aufgaben im Team verteilt.», erklärt Simone Blunier die Zusammenarbeit im Team.

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«Die klare Rollenverteilung hilft dabei, uns auf unsere spezifische Aufgabe zu fokussieren – in meinem Fall die Diagnosestellung, die Koordination und die Organisation.»

Simone Blunier
Oberärztin Chirurgischer Notfall

Austauschen – reflektieren – lernen

Nach sämtlichen notfallmässig indizierten Abklärungen (Labor/Röntgen/Computertomographie etc) und der Einleitung der Therapie wird der Patient oder die Patientin auf die entsprechende Abteilung, den Operationssaal oder in das Zentrumsspital verlegt. «Nachdem der Patient oder die Patientin den Notfall verlassen hat, treffen wir als Team erneut zusammen und besprechen in einem Debriefing den Fall. Der Fokus liegt im Debriefing sowohl in den Abläufen hinsichtlich Therapie und Diagnostik. Zudem besprechen wir die Teamzusammenarbeit. Das Debriefing ist extrem wichtig, um sich beispielsweise über schwierige Situationen austauschen zu können. Niemand darf nach einem Schockraum mit unguten Gefühlen zurückbleiben. Dieser Austausch führt zu gemeinsamem Lernen und Reflektieren, sodass wir durch Verbesserung der Prozesse eine noch bessere Behandlung für unsere Patientinnen und Patienten bieten können», fasst die Notfallmedizinerin zusammen.

Vom Wissen der anderen profitieren

Um das medizinische Wissen im Team weitergeben zu können, finden mehrmals pro Jahr Schockraumsimulationen statt. Ziel der Simulationen ist es, in einem geschützten Rahmen Situationen im Schockraum nachzustellen und sich entsprechende Fähigkeiten anzueignen. Aber es geht nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um die Zusammenarbeit im interdisziplinären Team. Dies ist vor allem für Assistenzärztinnen und -ärzte wichtig, die keine oder erst wenige Erfahrungen in dieser Form haben. Zudem werden schwierige Fälle an sogenannten Schockraumboards besprochen, um die Abläufe zu optimieren und gemeinsam zu evaluieren.

Die Notfallmedizinerin als Generalistin und Pragmatikerin

Notfallmediziner sind Generalistin und Pragmatikerin. Überblick, rasches Auffassungsvermögen, breites notfallmedizinisches Wissen (medizinisch und chirurgisch, von der Schwangeren und dem ungeborenen Kind bis zum hohen Alter) und eine gute Priorisierungsgabe sind für Notfallmediziner ebenso wichtig, wie das Bewahren eines kühlen Kopfes in schwierigen Situationen. «Die Notfallmedizin ist in der Schweiz kein eigenständig anerkanntes Fachgebiet – auch wenn dies dringend notwendig wäre. Alle Notfallmedizinerinnen und -mediziner haben eine mindestens fünf Jahre dauernde, abgeschlossene Facharztausbildung sowie eine anschliessende, zweijährige Zusatzausbildung, die uns berechtigt, als klinische Notfallmediziner agieren zu können», so Simone Blunier weiter.

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«Unabhängig davon, welche Fälle wir betreuen: Wir brauchen ein sehr breites, klinisches Wissen und müssen pragmatische Entscheidungen treffen, um die notwendigen Behandlungen in der richtigen Reihenfolge durchführen zu können.»

Simone Blunier
Oberärztin Chirurgischer Notfall

Wissenstransfer durch Coaching

Zu den Aufgaben der Notfallmedizinerin gehört es auch, Assistenzärztinnen und -ärzten notfallmedizinisches Wissen zu vermitteln und sie auf ihrem Ausbildungsweg zu begleiten. Auf der Notfallstation sind es primär Assistenzärztinnen und Ärzte, die die Patientinnen und Patienten nach den Pflegefachpersonen zum Krankheitsbild befragen und untersuchen. Die erhobenen Befunde werden dann mit dem zuständigen Vorgesetzten besprochen.

«Ich lege Wert darauf, dass die Assistenzärztinnen und -ärzte selbständig Diagnosen und Therapien erarbeiten. Meine Aufgabe als Vorgesetzte liegt darin, sie in diesem eigenständigen Denken zu unterstützen, aber auch zu erklären, weshalb die angedachte Diagnose oder Therapie vielleicht nicht korrekt ist. Je nach Komplexität der Fälle und Ausbildungsstand der Assistenzärztin oder des Assistenzarztes untersuche ich die betroffene Person zusätzlich selbst. Ebenso lasse ich es mir nicht nehmen, zur Entastung der Assistenzärztinnen und -ärzte Patientinnen und Patienten von Anfang bis Ende selbständig zu betreuen. Dies führt zusätzlich dazu, dass als Vorgesetzte sämtliche Abläufe bekannt sind und systemische Schwierigkeiten erkannt werden.»

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Kritische Situationen und Entscheidungen in Frage stellen

Für die Notfallmedizinerinnen und -mediziner ist jeder Fall einzigartig. Immer wieder gibt es aber auch Situationen, die den Behandelnden an die Substanz gehen. Simone Blunier erklärt: «Zu merken, dass eine Patientin oder ein Patient klinisch kritisch sind, ist schon sehr herausfordernd. Hier hilft mir die Vorstellung, vor allem bei Einsätzen als präklinische Notärztin, dass ich genau zum jetzigen Zeitpunkt, am aktuellen Ort, die beste Option bin, die die Patientin oder der Patient haben kann. Wenn ich mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten nicht da wäre, hätte die betroffene Person keine Hilfe. Auch das Bewusstsein, dass die beste Medizin und die besten Fähigkeiten nicht alles heilen können, hilft, Geschehenes besser zu verarbeiten. Einfach wird es aber nie.» Simone Blunier fasst zusammen: «Ob eine Assistenzärztin oder ein Assistenzarzt in die Notfallmedizin einsteigt oder ein anderes Fachgebiet wählt, ist neben dem Interesse vor allem eine Frage der Persönlichkeit.»


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