Burgdorf war nach der Ausbildung nicht ihr Wunschspital. Warum sie dennoch 35 Jahre am Spital Emmental tätig ist und welche beruflichen Türen sich ihr geöffnet haben, erzählt Esther Liechti-Lanz im Gespräch.
Text: Teresa Schmidt
Esther Liechti-Lanz absolvierte ihre Ausbildung in Bern und arbeitete in den letzten sechs Ausbildungsmonaten in Burgdorf auf der septischen Chirurgie. Für die Lernende war klar, dass sie nach der Diplomierung wieder zurück in die Romandie wollte: «Ich konnte mich nicht so richtig mit Burgdorf anfreunden, wurde nicht warm. Aber dann wurde ich von der Oberschwester angefragt, mich als diplomierte Krankenschwester anstellen lassen möchte. Ich war unsicher, trotz meiner bestandenen Prüfungen. Etwas belastete mich nämlich enorm: Ich konnte nach wie vor einfach keine Infusionen legen, jede Vene meiner Patientinnen und Patienten «durchlöcherte» ich», erinnert sich Esther Liechti-Lanz heute mit einem Lachen. Sie entschied sich zu bleiben, da am damals noch überschaubaren Spital, alle wussten, dass sie erst frisch diplomiert war.
Ein Jahr später hiess es wieder im Büro der Oberschwester antraben, denn diese hatte eine neue Idee: «Schwester Esther, Sie gehen auf Notfall!». «Ja, warum denn nicht?!, war mein erster Gedanke. Zehn Tage nach dem Start auf dieser Abteilung hatte ich den Dreh beim Venflon`s legen raus und heute, nach all den Jahren, bin ich Spezialistin auch bei schwierigen Venenverhältnissen. Ich habe sehr viel gelernt in meinen fünf Jahren auf dem Notfall und bei den Einsätzen mit der Ambulanz. Damals waren Dinge möglich, die heute unvorstellbar sind: ein Fahrer und eine Pflegende sind gemeinsam ausgerückt, und wir haben alles geholt, von Patientinnen und Patienten mit einem Herzinfarkt bis hin zu schwer verletzten Unfallopfern. Die REGA durften wir nicht selber auf Platz bestellen, so haben wir alle «eingepackt» und sind möglichst rasch, wenn nötig «blau», zurück zum Spital gefahren», erinnert sich Esther Liechti-Lanz.
«Ende 1995 wurde ich von der Abteilungsleiterin der Intensivstation angefragt, ob ich zu ihnen wechseln wolle, was ich gerne getan habe. Mein Plan war längerfristig, die Ausbildung zur Expertin Intensivpflege zu absolvieren. Aber mir ist im positiven Sinn das Leben dazwischengekommen: ich wurde schwanger – mit meinem Mann, der gerade für vier Jahre ein Studium begonnen hatte. Dank einer wunderbaren Tagesfamilie begann ich drei Monate nach der Geburt wieder zu arbeiten. Im Herbst 2000 war ich dreifache Mutter und wir entschieden als Paar, im Jobsharing 50:50% für die nächsten Jahre Familie, Haushalt und Beruf «unter einen Hut» zu bringen». Esther Liechti-Lanz merkte, dass sie im Spital die Batterien für zuhause und im Familienleben umgekehrt Energie für die Arbeit im Spital tanken konnte. So konnte sie fachlich auch immer mit allen Veränderungen Schritt halten. Sehr geschätzt hat sie zudem, dass sie als Teilzeitpflegende von ihrer damaligen Abteilungsleiterin motiviert wurde, das Nachdiplomstudium in Pflegeberatung und die Ausbildung zur «pain nurse» zu absolvieren.
Mit dem Realisieren eines «Aufwachraumes» 2005 für Patientinnen und Patienten nach dem OP kam es zu einer erneuerten beruflichen Veränderung. Während den ersten Monaten war Esther Liechti-Lanz alleinige Aufwachraum-Schwester. Dann wurde aufgrund der steigenden Zahlen von Patientinnen und Patienten ein Team für den Aufwachraum zusammengestellt.
2014 erhielt das Spital Emmental eine Anfrage des Gefängnisses Burgdorf, das sich wünschte, Pflegefachpersonen des Spitals für den Gesundheitsdienst im Gefängnis «auszuleihen». Die Geschäftsleitung entschied sich für diese Zusammenarbeit und Esther Liechti-Lanz war eine der Pflegenden, die ins Gefängnis schnuppern ging. So kam es, dass sie nach 25 Jahre in der Pflege zum ersten Mal eine Bewerbung schrieb. «Die Zusage zur Stelle hat mich sehr gefreut und so begann ich 50% im Aufwachraum und 20% im Gefängnis arbeiten», erinnert sie sich.
Bis 2021 arbeitete sie in dieser Kombination. «Es war ein wunderbarer Ausgleich zum Spitalalltag für mich, im Gefängnis die eingewiesenen Personen zu betreuen. Die vertrauensbildende Kommunikation, mein über all die Jahre erworbenes Fachwissen, die Intuition und meine verschiedenen Sprachkenntnisse haben mir in den Jahren geholfen, als Pflegefachfrau in diesem sehr speziellen, hoch anspruchsvollen Konstrukt zu arbeiten». Eine gesundheitliche Einschränkung ihres Ehemannes führte dazu, dass die Eheleute ihre Aufgabenteilung neu überdenken mussten. Seither arbeitet Esther Liechti-Lanz 100% auf der Intensivstation, während ihr Partner Hausmann ist und mit einer kleinen Brockenstube in Burgdorf den Schritt in die Selbständigkeit wagte.
Für die Intensivpflegerin überraschend wurde sie 2017 in den Stadtrat von Burgdorf gewählt, den sie sogar als «höchste politische Burgdorferin» 2022 präsidieren durfte. «Das war eine grosse Ehre – weil dies im Abstimmungsjahr der «Pflegeinitiative» stattfand», sagt Esther Liechti-Lanz. Zum engagiert sie sich in einem Altersprojekt in Moldawien, bei dem sie die jährlichen Einblicke in die dortigen Verhältnisse motivieren sie, immer aktiv zu bleiben.
«Als 15-jährige Teenagerin entschied ich mich für die Ausbildung zur Krankenschwester und nun arbeite ich seit 35 Jahren im Spital Emmental. Ich bin enorm dankbar, dass ich nach so vielen Jahren nach wie vor mit Freude vor Schichtanfang zum Spital radle – auch wenn ich immer ein bisschen knapp dran bin», schmunzelt die Intensivpflegerin.
Esther Liechti-Lanz sagt über sich und ihren beruflichen Weg: «Eine Karriere- und Lebensplanung hatte ich bis jetzt noch nie. Es haben sich einfach immer wieder Türen geöffnet. Durch diese bin ich gegangen und habe geschaut, was für Möglichkeiten sich für mich dahinter ergeben».
Das Spital Emmental dankt Esther Liechti-Lanz herzlich für ihren Einsatz für unsere Patientinnen und Patienten.